Musik und Klang im Kinderyoga

 

Persönliches

Mein Interesse galt von kleinauf der Musik und der Kunst. Daher begann ich 1990 Eurythmie zu studieren, wo Musik, Tanz, Sprache, Farblehre, Therapie und geistiges Wachstum ein faszinierendes Ganzes bilden. Hier fühlte ich mich zu Hause und die anthroposohischen Ansichten zur Pädagogik begeisterten mich sehr.

In dieser Zeit fand ich aber auch meinen Zugang zur Yogaphilosphie: ich begann selbst Hatha-Yoga zu praktizieren und auch täglich zu meditieren. Sri Chinmoy wurde mein spiritueller Lehrer und durch ihn eröffnete sich mir die beeindruckende kulturelle und spirituelle Welt Indiens. So habe ich für mich immer Asanas geübt, waren sie doch eine perfekte Ergänzung zum Sport und harmonischer Ausgleich durch intensive Atmung und Dehnung. Beweglich und geschmeidig zu sein gibt mir das Gefühl, jung zu bleiben und ein gutes Gespür für den eigenen Körper zu behalten.

Später habe ich viele Jahre lang Musikinstrumente aus aller Welt verkauft, darunter auch außergewöhnliche Klangobjekte. Dadurch entdeckte ich den Klangreichtum in all unseren verschiedenen Kulturen, habe sehr viel gelernt über die Wirkung und Einsatzmöglichkeiten von Klang, weit über unser klassisches Verständnis von Musik hinaus. Im Zuge dessen habe ich eine berufsbegleitende Ausbildung am Rhythmikstudio Wien absolviert. In der Rhythmik bilden Musik, Bewegung und Sprache eine untrennbare Einheit wie in der Eurythmie, sie ist aber nicht an eine Weltanschauung gebunden. Darin fand ich für mich die perfekte Methode einer alternativen Pädagogik, die eine enorme Bandbreite zulässt. Sie ist geeignet für alle Alterstufen, für kleine und große Gruppen, arbeitet ohne Leistungsdruck und prozessorientiert und bietet Freiraum für jegliche Kreativität. Auch in meinem Musikunterricht baue ich immer wieder Elemente ein und kann den Stundenverlauf mit neuen Ideen beleben.

Im Kinderyoga kann ich das bereits Gelernte, meine Freude an Musik, Bewegung, Farben, Geschichten und Meditation wiederum auf faszinierende Art kombinieren und anbieten. Meine Vision war und ist schon lange, Kinder auf lebendige Weise zu fördern und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten, damit sie auch als geistige Wesen die Nahrung haben, die sie brauchen.

 

Was bedeutet Yoga?

Die Philosophie des Yoga hat ihre Wurzeln in der jahrtausendealten spirituellen Kultur Indiens. Sie ist eng verbunden mit der Geschichte, Weltanschauung und Lebensweise Indiens. Die vedischen Schriften legen Zeugnis ab von der tiefen Einsicht der Rishis oder Seher in die inneren Zusammenhänge des Lebens, der Natur, des Kosmos. Sie haben bis heute Gültigkeit und sind Richtlinie für unsere Entwicklung auf allen Ebenen.

Ende des 19. Jahrhunderts begann sich das westliche Abendland für die östlichen Lehren zu öffnen. Durch große Persönlichkeiten wie Swami Vivekananda, Yogananda und etliche andere wurde der Yoga in Amerika und England bekannt und mit Interesse angenommen. Die wichtigen Schriften wurden übersetzt und verbreiteten sich im Abendland. Was lange einem Kulturkreis vorbehalten war, breitete sich zu einer Massenbewegung aus, für die bis heute kein Ende abzusehen ist. Orient und Okzident reichen sich die Hände. Die Kulturen tauschen sich aus und befruchten einander.

Auf breiter Ebene haben sich Hatha-Yoga und Ayurveda durchgesetzt, schließlich ist die Erhaltung der Gesundheit und physisches Wohlbefinden das naheliegendste für den Menschen. Aber auch für die nach tieferer Wahrheit Suchenden eröffnen sich in der heutigen Zeit genügend Möglichkeiten einer spirituellen Entwicklung, wie sie die indische Tradition schon immer angeboten hat. So kann jeder am Yoga Interessierte das für sich Wichtige herausziehen und praktizieren. Marktwirtschaft und Globalisierung haben zudem dafür gesorgt, dass niemand mehr lange nach Angeboten und Lehrern suchen muss. Sie finden sich mittlerweile überall und sind dank Internet schnell abrufbar.

Allerdings möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass die westliche Deutung des Begriffs Yoga sich meist auf die körperlichen Aspekte des Hatha-Yoga reduziert. Die Philosphie des Yoga umspannt weit mehr und sieht die physischen Übungen nur als vorbereitendes Stadium an.

Darum zitiere ich hier den spirituellen Meister Sri Chinmoy, der auf die Frage, was Yoga sei, antwortet: “Yoga bedeutet ´Vereinigung` – die Vereinigung des Menschen mit Gott.”.....“ Yoga ist die Sprache Gottes. Wenn wir mit Gott sprechen wollen, müssen wir Seine Sprache erlernen.”…...“Jeder kann Yoga praktizieren und zwar ungeachtet des Alters. Aber wir müssen verstehen, was Yoga wirklich beeinhaltet. Leider gibt es viele Menschen, die glauben, dass Yoga nur Körperhaltungen und Atemübungen bedeutet. Das ist ein bedauerlicher Fehler. Diese Haltungen und Übungen sind vorbereitende Stufen, die zu Konzentration und Meditation führen, welche dann erst zu einem tieferen, höheren und erfüllteren Leben hinführen können.”

(aus: Die Weisheit Sri Chinmoys, Bd. 2, S. 208 ff.)

 

Ich denke auch, dass es jedem/r Kinderyogalehrer/in überlassen bleibt, wieviel von der geistigen Dimension hineinspielt. Da ist die eigene Praxis natürlich ausschlaggebend und diese teilt sich den Kindern immer auch nonverbal mit. Für Kinder ist es auf jeden Fall wichtig zu lernen sich zu entspannen, und wenn auch kleine kurze Ruhephasen keine tiefe Meditation sind, so machen sie die Kinder doch früh mit diesem Begriff vertraut und sie können sich darunter etwas vorstellen. Sinnvollerweise beginnt ein Mensch erst dann ernsthaft zu meditieren, wenn er von sich aus den starken Wunsch danach hat. Vorher tut er gut daran, seinen Verstand zur Ruhe zu bringen, Konzentration und positives Denken zu üben.

Auf diese Weise übt Yoga seinen wohltuenden Einfluß auf jeden aus, genau in dem Maße, wie er oder sie es gerade braucht.

Yoga bedeutet Vereinigung: Vereinigung von Körper und Seele, Materie und Geist, von Denken, Fühlen und Wollen, von Innen und Außen. Und es gut, beim Unterrichten von Yoga ein Bewusstsein dafür zu haben, dass wir alle nur einen winzigen Teil des Yogakosmos vermitteln, da er so unermesslich weit und tiefgründig ist.

 

Die Wirkung von Yogaübungen

Yoga schenkt dem Praktizierenden ein ganz neues Körperbewusstsein. Ich kann mich erinnern, wie sich meine Wahrnehmung des Körpers sehr schnell verfeinert hat, als ich begann, (zunächst mithilfe eines Buches) einfache Yogaübungen zu machen. Ich konnte auf einmal besser schlafen. Ich fühlte meinen Körper deutlicher, spürte und sah ihn von innen. Spürte meine Atmung, die vorher nur unbewusst ablief. Bewegung verband sich mit Atmung. Ich lernte meine Gliedmaßen zu entspannen, wenn ich es wollte. Alles in allem war dies eine neue Erfahrung, die ich von Sport, Gymnastik oder ähnlichem nicht kannte.

Ja, dieses intensive Hineinspüren in langsame Bewegung, die Verbindung von Ein-und Ausatmen mit Bewegung, das Sich-Von-Innen-Anschauen-Können ist meiner Meinung nach das Besondere an Yoga. Auch langes Verharren oder Aushalten einer Position verbunden mit Konzentration führt zu neuer Wahrnehmung. Aber es lässt auch ahnen, dass der Körper nur ein Haus ist und in diesem Haus ein aufmerksamer Betrachter wohnt, der nicht mit dem Körper identifiziert ist.

Yogapraxis schenkt Geschmeidigkeit, Gelenkigkeit, baut sanft Muskeln auf und lenkt Energie durch den Körper und im Körper. Konzentration entwickelt das Vermögen, unbewusst ablaufende Vorgänge zum eigenen Wohl beeinflussen zu können. Die Ruhe, die sich nach einer Yogaeinheit einstellt, ist intensiv und anhaltend: Körper und Geist konnten sich tief entspannen.

Natürlich erleben Kinder die Yogaübungen anders als Erwachsene, da sie diese im Spiel und als Spiel erleben. Aber auch sie profitieren von den positiven Wirkungen, die den Asanas zugeschrieben werden, wenn sie sie über längere Zeit wiederholen. Deshalb ist es ja so wichtig, dass der/die Lehrende aus eigener Erfahrung weiß, wie Yogaasanas wirken.

Auf den kindlichen Organismus wirken alle physischen Übungen noch viel stärker ein, da alle Lebensvorgänge so viel intensiver und schneller ablaufen.Der Körper wird aufgebaut und verändert sich in einer Geschwindigkeit wie später nie wieder. Die Gehirnentwicklung vollzieht sich extrem rasch und den Kindern stehen die Tore offen, etwas neues schnell und leicht zu lernen. Der Körper ist noch extrem formbar und beweglich. Hierbei stellt der Yoga mit seinen aktivierenden und beruhigenden Positionen eine große Hilfe dar, weil er Prozesse in gesunde Bahnen lenken kann. Was an die Kinderyogalehrenden aber auch große Anforderungen stellt, wenn sie etwa Entwicklungsprobleme beheben oder ungesunden Tendenzen entgegen wirken wollen. Wie in allen Bereichen der Pädagogik sind dafür viel Erfahrung, Feingefühl und Geschick erforderlich und diese entwickeln sich erst mit der Zeit.

Um auch einmal konkrete Beispiele zu geben, beschreibe ich hier zwei Asanas, die oft und gern im Kinderyoga ausgeführt werden.

Die Katze mit ihrem gerundeten Rücken im Vierfüßlerstand lockert Wirbelsäule und Rückenmuskeln und entspannt auch den Nacken. Sie dehnt die Beine auf sanfte Weise. Sie fördert die Eigenschaften von Mut und Selbstvertrauen, schenkt Ruhe und Entspannung. Diese Asana gehört zu den Vorwärtsbeugen und Umkehrhaltungen.

Die Kobra oder Schlange wird im Liegen ausgeführt und ist eine Rückwärtsbeuge. Damit kräftigt sie den unteren Rücken, öffnet den Brustkorb und wirkt auch gegen Verstopfung, da sie Druck auf den Bauch ausübt. Sie aktiviert und energetisiert, sorgt für Mut und Selbstvertrauen, befreit von Furcht, fördert Konzentration und Aufmerksamkeit.

So lassen sich Asanas auch nach ihren Wirkungen kombinieren, wenn dies notwendig werden sollte. Generell baut man immer aktivierende und beruhigende Positionen in die Stunde ein und schafft so ein Gleichgewicht.

Atemübungen wirken generell noch viel stärker auf unser Körper-Geist-System ein und dürfen im Kinderyoga nur ansatzweise und sanft geübt werden. Als Regel gilt im Yoga, dass jeder achtgeben muss, seine Organe nicht zu schädigen. Daher wird die Aufmerksamkeit hier nur auf bewusstes Ein-und Ausatmen gelenkt, ohne einen Rhythmus vorzugeben. Was auch erlaubt ist: nur durch ein Nasenloch ein- und auszuatmen, da dies links eine beruhigende und rechts eine aktivierende Wirkung hat. Das wird man natürlich frühestens bei Schulkindern anwenden, die so ihre Angst bei Tests oder Klassenarbeiten vermindern oder sich neue Energie zuführen können, wenn sie müde sind. Kleine Kinder werden nur übers Spiel mit dem Atmen vertrauter gemacht.

 

Die Rolle von Musik, Sprache und Phantasiegeschichten im Kinderyoga

Bereits in den ersten Stunden der Ausbildung begann ich Kinderyoga mit Rhythmik zu vergleichen, da mir die Gemeinsamkeiten sofort auffielen.

Rhythmik (vielen eher als musikalische Früherziehung bekannt) verbindet Musik und Bewegung zu einer rhythmisch-musikalischen Erziehungsmethode und bezieht auch Sprache und diverse Materialien mit ein. Sie geht auf Emile Dalcroze zurück und bildete sich Anfang des 20. Jahrhunderts heraus. Das war auch die Zeit von Maria Montessori oder Rudolf Steiner, der die Waldorfpädagogik begründete.

Heutzutage ist es selbstverständlich geworden, dass dem Spiel die Bedeutung zugemessen wird, die für das Kind wichtig ist. Das war nicht immer so, denn früher wurden Kinder für die Berufe erzogen, in denen sie einmal arbeiten sollten. Sie wurden als kleine Erwachsene angesehen, die dann auch ebenso behandelt wurden, gemaßregelt, bevormundet, gedrillt usw. Mädchen hatten lange Zeit nicht einmal die Möglichkeit einer Ausbildung.

Wie gut, dass sich neue Erkenntnisse durchgesetzt haben, und dass Kindern mithilfe von Musik, Spiel, Tanz usw. ermöglicht wird, sich kreativ, lebendig und lustvoll zu entwickeln. An dieser Stelle kann ich nicht ausführlich darstellen, was Rhythmik ist und wie sie arbeitet. Ihr Ziel jedoch ist es, freie selbständige Persönlichkeiten heranzubilden, die körperlich, emotional und geistig gesund sind und sich in ihr soziales Umfeld integrieren können.

Das wollen wir auch im Yoga erreichen und zwar von klein auf. Darum sind all die kreativen Mittel, die zum Einsatz kommen, enorm hilfreich, die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die über die rein körperlichen hinausgehen, mitzuentwickeln. So fördern Geschichten die sprachliche Entwicklung, Musik und Klang den Hörsinn und das Rhythmusgefühl, schöne Dekoration den Sinn für Ästhetik und auch die Phantasie, Düfte und Gerüche sorgen für Wohlbefinden und wecken den Geruchssinn. Berührung durch Massagen verfeinert das taktile Empfinden. Die Sinneswahrnehmung wird also rundum angesprochen. Phantasiereisen regen die geistige Vorstellungskraft an. Ohne all das würde Yoga bloße Gymnastik sein und die Kinder wären eher Druck, Ehrgeiz und Wettbewerb ausgesetzt. Der achtsame und respektvolle Umgang in der Gruppe steht an erster Stelle und so kann sich jedes Kind angenommen und wertgeschätzt fühlen, egal wie gut es eine Übung kann.

Musikbegleitung verbindet und unterstützt Bewegungsabläufe. Rhythmus kann antreiben oder auch beruhigen. Musik wird zielgerichtet eingesetzt, ob von CD oder selbst gespielt. Lieder können zum Ritual werden oder bestimmte Phasen unterstreichen. Ich selber bevorzuge den Einsatz von Klängen aller Art, die dem Thema entsprechen, Instrumente, die leicht zu handhaben sind und immer auch die Aufmerksamkeit der Kinder auf sich ziehen. Aber auch die Stimme als das eigene Instrument steht immer zur Verfügung und kann die vielfältigsten Geräusche hervorbringen.

Kinder brauchen Musik zu ihrer gesunden Entwicklung, denn sie wirkt auf Emotionen, auf die Gehirnausbildung /Vernetzung der Neuronen, setzt neue Sinnesreize und hält die Gruppe zusammen. Kinder brauchen Bewegung, darum wechseln aktive wilde Phasen mit statischen Positionen, wechselt Aktivität mit Ruhe ab, um alle Eindrücke auch verarbeiten zu können. Diese Zusammenhänge sind in der Rhythmik bestens bekannt und lassen sich also im Kinderyoga genauso anwenden.